Einleitung. Der Traktat Gittin (גִּטִּין pl. v. גֵּט, ar. גיטא, assyr. gittu „Urkunde Dokument“, spez. Scheidebrief; genauere Bezeichnung: גט אשד) behandelt in der Hauptsache die Ehescheidung, insbesondere den Scheidebrief. Die Tora verordnet über die Ehescheidung in Deut. 24, 1—4: „Wenn ein Mann eine Frau nimmt und sie ehelicht, so sei es, wenn sie keine Gunst in seinen Augen findet, weil er an ihr etwas Schändliches gefunden hat, und er schreibt ihr einen Scheidebrief und gibt ihn in ihre Hand und entläßt sie aus seinem Hause, und sie scheidet aus seinem Hause und geht und wird eines andern Mannes (Weib); und nun haßt sie der andere Mann und schreibt ihr einen Scheidebrief und gibt ihn in ihre Hand und entläßt sie aus seinem Hause; oder wenn dieser andere Mann, der sie sich zur Frau genommen hat, stirbt: so darf ihr erster Mann, der sie entlassen hat, sie nicht wiedernehmen, daß sie seine Frau werde, nachdem sie verunreinigt worden ist …“ Die Institution der Ehescheidung bestand bereits in der Zeit vor der mosaischen Gesetzgebung. Nach Pseudo-Jonathan zu Gen. 21, 14 (vgl. Jalkut z. St. § 95) hat bereits Abraham die Hagar mit einem Scheidebrief entlassen, und ebenso auch nach einer Ansicht in Mechilta zu Ex. 18, 2 Moses seine Frau Zippora1 Vgl. auch D. H. Müller, Die Gesetze Hammurabis …, Wien 1903 S. 122: „Ich schicke hier voran, daß die mosaische Gesetzgebung bekanntermaßen das Institut der Scheidung nicht eingeführt, sondern vorgefunden hat.“. In der angeführten Torastelle wird die Scheidung nicht direkt behandelt, sondern lediglich als Voraussetzung des anschließenden Verbotes der Wiederverheiratung einer Geschiedenen mit ihrem ersten Mann nach ihrer Ehe mit einem andern. Als Scheidungsgrund ist hier ganz allgemein „etwas Schändliches“ (עדות דבר) angegeben, über Form und Inhalt des Scheidebriefes nichts ausdrücklich mitgeteilt. Die näheren Bestimmungen über all dies bleibt der mündlichen Tradition und der Deutung des Schriftwortes durch die Weisen überlassen. Zur Stellung des Traktats Gittin nach Nasir und vor Sota in der von Maimuni gegebenen Anordnung der Traktate vgl. S. 302. Der Traktat Gittin zerfällt in neun Abschnitte. Diese haben im einzelnen zum Inhalt: Abschnitt I. Bestimmungen über die Überbringung von Scheidebriefen aus dem Ausland, über die Beglaubigung und Zurücknahme von Scheidebriefen resp. Freibriefen. Abschnitt II. Weitere Bestimmungen über die Überbringung von Scheidebriefen aus dem Ausland, über die Datierung und das Schreibmaterial der Scheidebriefe. Welche Personen einen Scheidebrief schreiben resp. überbringen dürfen. Abschnitt III. Bestimmungen über die Schreibung des Scheidebriefes speziell für den betreffenden Scheidungsakt (לשמה), über die Schreibung von Scheidebrief- resp. Kaufbriefformularen auf Vorrat, über einen verlorenen und wiedergefundenen Scheidebrief. Vermutung, daß der Aussteller des Scheidebriefes noch lebt. Ersatz des Boten durch einen zweiten. Gesetzliche Entscheidungen auf Grund einer Annahme (חזקה). Abschnitt IV. Über die Zurücknahme von Scheidebriefen. Institutionen der Weisen, insbesondere Rabban Gamliëls, die des allgemeinen Wohles wegen (מפני תיקון העולם) getroffen wurden. Abschnitt V. Weitere rabbinische Institutionen, die des allgemeinen Wohles wegen (מפני תיקון העולם) und solche, die um des Friedens willen (מפני דרכי שלום) getroffen wurden. Abschnitt VI. Über die mündliche Beauftragung zur Anfertigung, Überbringung, Übergabe und Empfang eines Scheidebriefes. Abschnitt VII. Über die Beauftragung zur Anfertigung resp. Übergabe des Scheidebriefes, wenn der Mann krank ist. Über bedingte Scheidebriefe. Abschnitt VIII. Über das Zuwerfen des Scheidebriefes, den „alten“ Scheidebrief (גט ישן), über irreführende Angaben im Scheidebrief. Folgen verschiedener unerlaubter Eheschließungen. Über den „kahlen“ Scheidebrief (גט קרח). Abschnitt IX. Über ausschließende Bestimmungen beim Scheidebrief, über den Hauptteil des Scheidebriefes, über die Zeugenunterschriften, über vertauschte Scheidebriefe, über die Schreibung mehrerer Scheidebriefe auf ein Blatt. Über den Scheidungsgrund. 1) Vgl. auch D. H. Müller, Die Gesetze Hammurabis …, Wien 1903 S. 122: „Ich schicke hier voran, daß die mosaische Gesetzgebung bekanntermaßen das Institut der Scheidung nicht eingeführt, sondern vorgefunden hat.“